Bevándorlók eredethelyei
Herkunftsorte der Kirwaer von der Schwäbischen Alb
von Anton Tressel
Es gibt nur wenige von Deutschen besiedelte Orte in Ungarn, die sich rühmen können, die Herkunfts-orte ihrer Bewohner ziemlich genau zu kennen. Kirwa (ung. bis 1937 Kirva, danach Máriahalom) gehört zu den wenigen. Das hat verschiedene Gründe: Erstens erfolgte die Ansiedlung relativ spät, nämlich ab 1785. Zu dieser Zeit führte man schon ziemlich genau Buch über die Herkunft der Siedler. Trotz der geringen Größe des Dorfes hatte es zu allen Zeiten Dorfrichter, Pfarrer, Lehrer, die alles notierten, was im Leben einer Gemeinde von Bedeutung war. Außerdem kommt noch hinzu, dass sich namhafte Forscher der Geschichte des Dorfes annahmen. Einer von ihnen ist Dr. Wilhelm Wagenhoffer. Seine Dorfgeschichte1 ist eine der besten, die je über ungarndeutsche Dörfer geschrieben worden ist.
Aber nichts ist so perfekt, dass es nicht verbessert werden könnte. Das gilt auch für das Buch von Wagenhoffer. Obwohl sich der Herausgeber – der Verfasser dieser Zeilen – beim Redigieren größte Mühe gab, Fehler auszumerzen. Er übernahm die vom Verfasser angegebenen Herkunftsorte der Siedler, ohne sie auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, da sie ihm so annehmbar schienen.
Neun Jahre später erreichte den Herausgeber eine Internet-Anfrage über die Herkunft der Lochers. Nach dem Wagenhoffer stammt Hanns-Martin Locher aus Höllstein. Der Freund eines Locher-Nachkommens wollte wissen, ob es sich um das Höllstein bei Lörrach im Süd-Schwarzwald handele. Da ich selber mit sechs Prozent meines Erbgutes mit den Lochern verwandt bin, beschloss ich, der Sache auf den Grund zu gehen. Genaue Kartenanalysen ergaben, dass es sich nicht um Höllstein, sondern um Holstein (eine Burgruine) 2 auf der Schwäbischen Alb handelt! Heute heißt deshalb der Ort Stetten unter Holstein.3 Es gibt mehrere Orte namens Stetten, die man nur durch einen Zusatz auseinander halten kann.
Die Ortsangabe Höllstein aus dem 18. Jahrhundert findet man auch in alten Schriften, was ihre damalige Richtigkeit untermauert, zumal die Burg damals Hoelstein hieß.
Die Annahme, dass der Dialekt der Albbewohner für ungarische Schreiber nur schwer zu verstehen gewesen sei und sie deshalb Ende des 18. Jahrhunderts die Familien- und Ortsnamen nicht richtig aufgeschrieben haben, muss hier ausgeschlossen werden.
Nachdem so aus Höllstein Holstein4 wurde, beschloss ich, auch die anderen Herkunftsorte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. In dem südlich von Holstein/Stetten gelegenen Ort wurde ich gleich fündig: Im Buch steht fälschlich Hörschwang statt Hörschwag (S.15). Während 1785/86 aus Stetten unter Holstein vierunddreißig Familien auswanderten, waren es aus Hörschwag fünfzig.
Ebenfalls falsch geschrieben ist der Ort Großengstingen und zwar als Großängstingen (S. 14). Ebenso der weiter südlich liegende Ort Veringenstadt als Vöringenstadt (S. 19). Der Herkunftsort von Adam Rudolf (S. 16) wird als Bittesheim gleichfalls ungenau angegeben: Es muss nämlich Biedesheim (nordwestlich von Grünstadt) im Erzbistum Mainz heißen. Anton Keller kam mit seiner Familie nicht aus Kammertingen (S. 17), sondern aus Gammertingen wie vor ihm schon die Familie von Xaverius Teichler (S. 14). Insgesamt waren es schließlich zehn Familien. Die meisten Auswanderer der ersten Gruppe nach Kirwa kamen aus Trochtelfingen (12 Familien mit 59 Personen) und dem benachbarten Steinhilben (12 Familien mit 48 Personen) (S. 14). Bei der vierten Gruppe befanden sich weitere sechszehn Personen aus Trochtelfingen, so dass es letztendlich fünfundsiebzig waren.
Die vierzehn Auswanderungs-Ortschaften (siehe Karte) der Schwäbischen Alb stellten das Gros der späteren Kirwaer Bevölkerung, nämlich 275 Personen! Prozentual gesehen waren das von insgesamt 364 Ansiedlern 75,5 %. Aus dem übrigen Schwaben kommen weitere 30 Personen (8,2 %) – aus Gingen (5) und Heubach (3) sowie unbekannten Orten (22) – hinzu.
Die zweitgrößte Gruppe mit 35 Personen (9,6 %) kam aus dem Stift Fulda. Die Familien von Johann und Anton Bauer sowie Matthias Kremer – mit 17 Personen – befanden sich bereits unter der ersten EinwandererGruppe. Ihre Herkunftsorte sind unbekannt. Sie gingen am 9. Juli 1785 in Sigmaringen an Bord der Ulmer Schachteln. Die restlichen achtzehn Stifoler kamen mit der dritten Gruppe – als vereinzelt eintreffende Ansiedler – aus dem südlich von Fulda gelegenen Neuhof und dem südwestlich gelegenen Döpenziesel (heute: Giesel) in Kirwa an.
Zu dieser Gruppe zählen weitere 18 Personen, die aus verschiedenen Orten stammen – wie Adam Rudolf (1) aus Biedesheim (nordwestlich Grünstadt/Pfalz), Johann Kremer (1) aus Rennerod/Westerwald, Bonifatius Mayer (1) aus Bockenrod/Odenwald und Joseph Knacker (11) aus Gerolzhofen (südlich Schweinfurt) sowie Georg Steinmüller (4) aus Melrichstadt/Unterfranken.
Die vierte Kolonistengruppe traf vom März bis Juni 1786 in Kirwa ein. Sie sezte sich zum größten Teil aus Leuten von der Schwäbischen Alb (56 Personen) zusammen. Nur Bartholomäus Gsell (1) kam aus Selbach/Rhein (ist nicht genau zu lokali-sieren) und Johann Bender (5) aus dem Sauerland (ohne Ortsangabe).
Obwohl die Schwaben unter den Ansiedlern von Kirwa überwogen, konnte sich ihr Dialekt nicht lange halten. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts begann sich im Dorf die mittelbaierische ua-Mundart durchzusetzen. Das ist auf Einheirat und Zuzug aus deutschen Gemeinden der Umgebung wie Schambek, Tschaunok, Perwall u. a. zurückzuführen. Aus einundzwanzig Ortschaften4 kamen ua-Mundart sprechende Familien in den Ort, so dass bis zur Vetreibung 1946 über hundert Jahre lang das Mittelbaierische dominierte. Mit der Zwangsaussiedlung von 75 % der Bevölkerung (620–661 Personen) 7 begann der Niedergang auch dieser Mundart.
Die Ausgesiedelten wechselten spätestens in der zweiten Generation nochmal ihren Dialekt. Sie nahmen Mundart und Lebensweise ihrer neuen Heimat Nordbaden an, wo sie in siebzehn Orten8 des Kreises Bruchsal angesiedelt wurden…
Ähnlich wie einst im 18. Jahrhundert in Ungarn dauerte die Anpassung an die neuen Lebensumstände in der Mitte des 20. Jahrhunderts Jahrzehnte… Dort wie hier haben sich unsere Landsleute durch Fleiß und Beharrlichkeit Anerkennung verschafft und dadurch einen respektablen Platz in der Gesellschaft errungen.
1 Wagenhoffer, Wilhelm: Von Kirwa bis Máriahalom – Geschichte eines deutschen Dorfes in Ungarn, 206 Seiten, 1995 [im Weiteren: Kirwa]
2 In historischen Karten – wie auf der Special-Karte in: Gustav Schwab, Die Neckarseite der Schwäbischen Alb, 1. Ausgabe 1823 (Neudruck 1960, Tübingen) – heißt die Burg Hoelstein. Danach wäre die Ortsangabe Höl(l)stein zu rechtfertigen.
3 Heute – zusammen mit Hörschwag – Ortsteil von Burladingen.
4 Für den heutigen Ort Stetten unter Holstein kommen bei Wagenhoffer (S. 15) die Namen Stetten und Höllstein vor.
5 In der Karte von G. Schwab: Gamerdingen
6 Kirwa: S. 176-177
7 Kirwa: S. 187–188
8 Kirwa: Karte mit den Ortsnamen S. 185 :Kirrlach/Waghäusel, Mingolsheim, Ubstadt-Weiher, Zeutern, Forst u. a.